1. Tag Mi, 27. Juli 2022 19:25 MUC–MAD 22:10; Madrid 23:55–Lima 4:30 h.
2. Tag Do, 28. Juli 2022 Wir wollten zweimal über die Zentralkordilleren Perus kreuzen und auf Pisten zwei neue Routen ausprobieren, die für Vogelbeobachter vielversprechend sind. Natürlich würden wir so fast alle Landschaften und Höhenzonen er-fahren. Durch rustikale Übernachtungen wären einige Kontakte mit der Landbevölkerung drin. Frühmorgens Ankunft am Flughafen Jorge Chavez, Lima. Würde der Mietwagenvertreter da sein? Nach einer Stunde Warten und Hinauslaufen, ob neue Empfangsschilder auftauchen, wollte ich schon aufgeben und ein Taxi suchen, doch mein Begleiter behielt recht: Alejandro kam und offerierte sogar einen 4WD. Der sah zwar ramponiert aus und hatte den Tank leer, aber das Gefühl, auf eigene Faust alles gestalten zu können, überwog. Ab 50 km/h überwog allerdings das Gefühl der Vibration: der vordere Reifen war zumindest nicht ausgewuchtet. Vergesst alles, was ihr in der Fahrschule über ordentliches Fahrverhalten gelernt habt: in Lima gilt das Recht des Stärkeren und des auf Zentimeterabstand auf den Vordermann Auffahrenden (hindert nicht alle am plötzlichen Einscheren). Nach schweißtreibenden 2 Stunden verlassen wir vor Chosica endlich den weiten Stadtbezirk und kaufen «Hydrolina» für die Bremsen beim Mechaniker, der uns von dieser Notwendigkeit mit verschmierten Fingern, unter dem Wagen hervorkommend, überzeugt.
Die Anfahrt 58 km nach Santa Eulalia stockt im komplett verstopften Ort: Días de la Patria – mit Bankwochenende und verlängertem Besäufnis dauern die schon mal fünf Tage –; alle wollen etwas Sonne genießen, da die Dauernebelbank um Lima bei 900 m Höhe weicht, und die zahllosen Pachamanca (= Erdschmaus)-Lokale und Kinderfreizeiten besuchen. So stehen wir mehrmals vor besetzten Hotels, aber schließlich nimmt uns Don José in seiner Hospedaje mit kleinem Restaurant auf. Wir haben noch Zeit für eine Nachmittagsexkursion am Bewässerungskanal und finden neben Streifenbauch-Tachurityrann, Langschwanz-Spottdrossel und Buschstärling plötzlich den Virginiauhu, auf 1200 m Höhe eine Sensation.
3. Tag Fr 29.7. Früh auf! Caldo de Gallina (Hühnersuppe mit Nudeln, Schenkel und Ei) ist zwar nicht so meins zum Frühstück, doch wir wollen das gesamte Santa Eulalia-Tal hinauffahren und brauchen was Kräftiges. Ab hier enge einspurige Piste (4WD sicherer). Schon nach 15 km sehen wir den Zitronensittich und das häufige Nacktgesichtstäubchen. Auf 2240 m quert die Straße spektakulär die Schlucht. Die Canyonbrücke wird auch zum Abseiling missbraucht. Mit dem Riesenkolibri haben wir ab hier leichtes Spiel: öfter zeigt er sich im langsamen Flatterflug. Der sehr seltenen Rostbauch-Finkentangare (Rufous-breasted Warbling-finch) kommen wir ab 2800 m nicht auf die Spur, da wir uns bei einem Abzweig Richtung San Juan de Iris verfransen. Am Japani-Wald, 3800 m, einem Hang von Polylepis-Gebüsch, haben wir auch mit der Weißohrkotinga kein Glück, doch sehen wir 3 Kondore nah, die sogar unweit von uns im besten Licht landen.
Die Piste zieht einspurig und ungesichert am Hang hin; Gott sei Dank gibt es so gut wie keinen Gegenverkehr. Da wir nur im 2. Gang fahren können, wird es Mittag, bevor wir uns dem Pass nähern. Knapp davor, auf 4700 m, erreichen wir unser Schlüsselziel des heutigen Tages, die Bofedales (=Hochmoore) von Milloc, eine breite rinnsaldurchflutete Senke mit Ichu-Gras, Polsterpflanzen und Moorschlenken. Wir müssen dazu 15 min abwärts laufen, und tatsächlich sehe ich kurz den Star des Tages, den geduckt laufenden Diademregenpfeifer. Das Braunglanzschwänzchen, einen Kolibri, kennt man an einem Flug, der wie bodennahes Hüpfen aussieht, da seine bevorzugten Blüten kurzstengelig sind. Die Rückkehr zum Wagen kostet uns Ungeübte ganz schön Puste, und gleich sind wir am Pass, Abra Milloc, 4867 m (höher als der benachbarte Ticlio), an dem wir die Abzweigung links nach Marcapomacocha (27 km vom Pass) nehmen. Die nächsten km bringen leider nicht den vom Aussterben bedrohten Weißbauch-Uferwipper, dafür aber hübsche Hochlandseen. Hinter Yantac (km 42,6) fahre ich auffallend lange an einem neuen Kanal entlang, und die Computerkarte zeigt nach 7 km, dass ich im Niemandsland ohne eigentliche Straße bin. Verfahren! Dafür laufen aber zwei Pisaccatinamus über den Weg. Zurück, und endlich finde ich frisch geteerte Abschnitte der Fernstraße aus dem Cantatal. Noch 55 km bis Huallay, bei Dunkelheit und viel Baustellenstaub kein Spaß. Um 19:00 Uhr erreichen wir müde das Provinzstädtchen Huallay, 4310 m, und müssen noch viermal nach Unterkunft wegen der Feiertage fragen. Von dieser Nacht weiß ich nichts mehr!
4. Tag Sa 30.7. So kalt war die Nacht gar nicht, eingeklemmt zwischen Hotelzimmern. Nach einem Suppenfrühstück sind es nur 5 km bis zum Bosque de Piedras (Steinwald), wo schwere Felsbrocken auf dünnen Säulen balancieren und die Phantasie verschiedene Urwelttiere ausmacht. Die Landschaft bei Vicco ist so öde, dass wir den Junínsee auslassen und lieber gleich zum Polylepiswald (Bosque de Quinua), 3700 m, Richtung Huánuco weiterfahren. Dort ist der Riesenspitzschnabel der Spezialist, der wie ein Kleiber die stetig abblätternde Rinde dieser höchstwachsenden Bäume der Welt absucht. Bei Huarianca gibt es unsere erste Forelle in nettem Ausflugslokal. Huánuco, 1900 m, mit seinen unzähligen Motocarros (Dreiradrikschas), lassen wir gern schnell hinter uns, fahren nach weiteren 18 km über die Taruca-Brücke des oberen Huallaga und dann noch 2,2 km nach Churubamba, 1940 m, hinauf, wo wir im einzigen und einfachen Hotelchen des Ortes für 40 Soles das Doppelzimmer unterkommen. 187 Tages-km.
5. Tag So 31.7. Es sind nur 23,5 km bis zum Carpish-Tunnel, 2707 m, der die Scheide zwischen dem halbtrockenen Mittelland und dem üppig bewaldeten Ostandenabhang darstellt. 300 m davor gibt es einen Spazierweg in den Nebelwald, der gleich die unglaublich bunte Goldband-Bergtangare neben der Bindenkotinga erbringt. Hinter dem Tunnel soll der Paty-Trail ornithologisch interessant sein. Im 4WD schaffe ich 400 m bis zu einem Fußballplatz. Ojos! Die Gegend soll nicht ganz sicher sein. Doch der Vortrupp der Spieler beruhigt uns. Der steile Abwärtsweg ist eine Enttäuschung: alles wegerodiert nach dem Pistenbau. Nach der 2. Forelle und einem Kauf von reichlich Naranjillas (Obst mit oranger Schale, die man nur aufbrechen muss, um an das schleimig-kernige Fruchtfleisch zu gelangen) kehren wir zurück nach Churubamba. Der 15-jährige Sohn des Besitzers muss uns etwas Improvisiertes kochen, was schwerfällt bei nur einem Tante-Emma-Laden.
6. Tag Mo 1.8. Früher Start, da wir trotz einer alten Wegbeschreibung unsicher sind, wie wir zum Bosque Unchog auf der Bergeshöhe kommen, denn es gibt 2 Wege nach Cochabamba, 2900 m. Nach 6,1 km, vor Vinchabamba, finden wir zwar den Linksabzweig, doch der Weg ist dermaßen schmal und unbenutzt, dass er höchstens für Esel taugt. Also weiter nach Vinchos, wo uns Einheimische über die weit sichtbare Fern-Antenne zum Ort Cochabamba (16,8 km von Churubamba) dirigieren. Am Ortseingang steht auf der anderen Straßenseite das ersehnte Schild: Unchog 8 km, wo auch der Pass, 3635 m, und der Parkplatz sind, von dem es nur zu Fuß weitergeht. Marschverpflegung und Vogelbuch in den Rucksack, und ab geht es, zunächst über Sumpfwiesen, wo ich erstmalig den Dunkelrückencanastero sehe, zu den Polylepis-Restwäldchen. Diese werden bei 3400 m dichter, und vor uns im Gebüsch verschwinden die langersehnte Augenbrauentangare und der Pardusco, beide in den 1970er Jahren neuentdeckt, mit extrem lokaler Verbreitung. Viel Hin- und Herlaufen und Warten im Wald bringt über 4 Stunden nur 10 Arten, doch hält das hier unberechenbare Wetter. Auf der Rückfahrt liegt nach 300 m ein Holzbrett quer über der Straße, und schon eilt die Dueña des letzten Hauses, unterstützt von 7 Hunden, herbei. Für die Herrichtung der wirklich guten Piste wäre ein obligatorischer Straßenobulus zu entrichten. «Wieviel, Señora?» «20 Dollar». «Wie bitte?» «20 Dollar pro Person!» «Aber, Señora, wir haben nur noch etwas peruanisches Kleingeld!» «Aber mein Mann ist der Präsident dieser Straße!» «Na gut, Señora, hier sind 13 Soles (3,40 Euro)», womit sie dann wortlos verschwand und den Weg freigab.
7. Tag Di 2.8. Reiner Fahrtag. Die Route soll uns in das Gebiet von Oxapampa bringen. Fahrt über Huánuco auf den Altiplano bis Carhuamayo, 4125 m, 153 km, östlich vom Junínsee. Es gibt leckeres Pachamanca-Schwein mit Camote und Kartoffeln. Von hier will ich eine selten befahrene Piste den östlichen Andenabhang herunter nehmen, doch ist sie dieses Jahr offen? Die Polizisten in der Wachstube meinen ja, ebenso ein Passant, der gleich seinem Vetter in Oxapampa telefoniert: Ja, der wäre dieses Jahr schon gefahren. Ermutigend. Km-Stein = 0,0 bei Plaza Carhuamayo. Nach Osten, auf Ju107, Pass 4380 m. Am km 19, 4240 m, links weiter auf die Pa107, die kleinere Straße. Am km 49,5 erreichen wir Yarhuay, 2915m, und bei km 63,6 in Huallamayo, 1470 m, das Ende der Zweispurigkeit. Ja, es wären ein paar Baustellen unterwegs, aber durchfahrbar. Jetzt geht es atemraubend und affenartig schmal am immer steiler werdenden Abhang entlang: «Könntest Du bitte nicht so nah links am Abgrund fahren?» Teils steigt die Straße wieder aus dem Tal, um vorgelagerte Felsnasen zu überwinden. Zwei mit «Pare» und «Sigue» händisch geregelte Einbahnbaustellen können wir flott passieren, aber in Santa Isabel, 1900 m, um 15Uhr30, ist erst mal Schluss: eine Brücke wird mit einem Riesenkran gebaut, Wartezeit eine Stunde! Jetzt komme ich also auf prekärer Route doch in die Nacht. Endlich abwärts bis Yaupi, 1415 m, 17Uhr35. Noch ca. 64 km. Bei der Brücke, 1215 m, setzt die Dunkelheit ein. «Am Nebenhang fahren viel mehr Autos den Berg rauf!» Ich ignoriere die beunruhigenden Bemerkungen meines Beifahrers, da ein Motorrradfahrer ohne Licht, den ich dadurch zur Notbremsung zwinge, mir die richtige Spur bestätigt. Dann ein Pässchen, 1800 m, und beim letzten Fragen sind wir in 100 m am Schild «Ulcumano Ecolodge», 2250 m, km 139,6. Die 600 m «Fahrspur» dahin benötigen 4WD und hohe Bodenfreiheit. 20 Uhr: geschafft! Warum so ausführlich? Weil ich die reisenden Leser auffordern will, gut Orte, Höhen und Strecken mit Zeiten im Fahrtenbuch zu registrieren, wenn es ins Niemandsland in Peru geht! Man hätte auch über Tarma und San Ramon fahren können, doch kostet das fast einen Tag mehr. http://ulcumanoecolodge.blogspot.com.
8. Tag Mi 3.8. Fahrt über Oxapampa Richtung Pozuzo, welches immer beliebter als Ausflugsziel wird und deutsch-österreichische Aussiedler hat. Wir wollen aber nur bis Huampal, km 60, 1120 m, dem Rangerposten des Nationalparks Yanachaga/Chemillen. Bis Huancabamba, km 28, ist die Straße noch gut. Dann kommen aber enorme Erdstürze auf die regengefährdete Piste. Zu viel Betrieb am Vaterlandstag! Erst um 11 Uhr kommen wir an, zu spät zum Birden. Unter 70 Jahren muss man 30 Soles Eintritt zahlen. In der Nähe des Zeltplatzes gibt es einen aktiven Balzplatz des Felsenhahns. Wir begehen den Robin Foster Trail, der einen Abschnitt herunter zum tosenden Bach hat, wo sich erwartungsgemäß Sturzbachtachuri, Schwarzkopf-Phoebetyrann, Weißbandschwalbe und Sturzbachente einfinden. Freude bereitet aber auch ein Wiederhören mit dem Schuppenbrust-Zaunkönig: Sein Gesang steigt in Halbtönen ab, mit immer längeren Pausen dazwischen, so dass man auf den letzten Ton bis 25 Sekunden warten muss.
Zur Nachmittagsexkursion sind wir pünktlich in der Ecolodge zurück. Gelbbrustkotinga und Weißohrklarino sind die Stars, und nachts hören wir wenigstens die Nebelwald-Kreischeule.
9. Tag Do 4.8. Entspannungstag in der Ulcumano Ecolodge. Früh wecken uns die Sichelguans mit ihrem purrenden Flügelgeräusch. Die Rostameisenpitta hört man ständig. Ein besonderes Highlight ist der Canopy Walk mit dem Aussichtsturm über dem Kronendach. Unter kundiger Führung des Lodgebesitzers Eduardo identifizieren wir u.a. Grünscheitel-Flaggensylphe, Braunohrkotinga, Kappenspitzschnabel und Strichelscheitel-Baumspäher. Viele subtropische Arten erreichen hier ihre Höhengrenze, z.B. der Wechselameisenwürger.
10. Tag Fr 5.8. Auf unseren besonderen Wunsch verbringen wir noch 90 Minuten vor dem Frühstück auf dem Turm, bevor wir 5,5 km östlich von der Plaza von Oxapampa an der Puente Llamaquizú den Abzweig nach Chacos zur Antenna Road nehmen. Diese unter Ornithologen bekannte Straße führt uns aber nicht ganz zum Urwald hin, da sie ab km 11 schon schlammig und ausgesetzt ist. Wir begnügen uns daher mit Dreifarben-Buschammer und Andenmaskentyrann und fahren die 40 km nach Paucartambo weiter. An der Tieflandsbrücke nach Satipo steht das Aussichtsrestaurant Las Orquídeas, wo wir gepflegten Cebiche (in Limonensaft gegarten Fisch) mit allem Drum und Dran konsumieren.
Nach insgesamt 194 km, 4 Stunden, erreichen wir dann auf guter Teerstraße Satipo. Das Hotel San Luis, mit Garage, bietet für 100 Soles ein Doppelzimmer.
11. Tag Sa 6.8. Heute geht es früh auf die Satipo Road (Route 24A), eine abenteuerliche Verbindung die Anden herauf zum Kloster Santa Rosa de Ocopa, auf der man in den letzten Jahren drei neue Vogelarten entdeckt hat. Wir fahren daher sehr langsam und halten oft, um die Tieflandvogelarten zu checken. Bei km 31 erreichen wir Mariposa (Pampa Hermosa), 1220 m. Eine Brücke enthält nur lose gelegte Bohlenbretter, und schon rutsche ich mit den Hinterrädern auf die tiefere Nebenetage, aber alles geht gut. Noch weitere 20,3 km, und es taucht der eng an den Hang geklebte Kleinort (10 Häuser) Calabaza auf, schon im dichtesten Urwald. 600 m weiter (Seitenweg), im Ortsteil Apalla (4 Häuser), 2200 m, wartet in der neu zu bauenden «Colibri Cloudforest Lodge» schon der Vogelführer Juan Julca auf uns. Wir hatten vorher mit dem Besitzer verabredet, dass wir eine höhere Summe für die Übernachtung zahlen, um am Aufbau mitzuhelfen. Zwei Zimmer sind schon durch hauchdünne Sperrholzwände abgetrennt; ein «Wohnzimmer» besteht aus 3 Betten, Sofa und einem Tisch, und für das Klo muss man sich nachts etwas durch den Regen kämpfen. Aber die Lage mitten im subtropischen Primärwald ist einzigartig (50 km herauf oder herunter gibt es gar nichts an Infrastruktur).
Nach unserer dritten Forelle will Juan mit uns wieder bergab fahren. Er kennt einen Standort des Kurzlappen-Schirmvogels, und um 16:30 Uhr sehen wir auf 1300 m nicht nur einen, sondern sogar 4 solche, mit ihrem aufblasbaren Kehlzapfen eine imposante schwarze Erscheinung. Außerdem neu für Peru: Weißscheitelpipra, Andenzwergspecht und Hochlandmotmot. Abends nur noch Kekse und Obst.
12. Tag So 7.8. Heute geht es im Regenwald aufwärts von Calabaza zur Puente Carrizales, 18,2 km, 3381 m. Schon vorher stoppen wir. Juan ist so schnell mit dem Liefern der richtigen Vogelstimme vom Handy, dass wir meist noch den Vogel optisch suchen, während er schon weiter anlockt. Nach dem wunderschönen Goldkopftrogon kommt der Knaller: Wir sehen kurz den Mantarozaunkönig, eine bisher noch nicht beschriebene, aber bereits als neu erkannte Vogelart. Die Stimme ist schon verfügbar! Die Piste ist so eng mit vielen Serpentinen, dass wir vor jeder Kurve hupen müssen, falls doch einmal einer entgegenkommt. Vorher muss man sich daher die letzte Ausweichstelle merken, um nicht zu viel zurückzusetzen. 7,4 km weiter verlassen wir den dichten, fast senkrecht an Schluchthängen wachsenden Wald und kommen bei Toldopampa, 3660 m, auf eine schlammige Hochebene. Im Elfenwald, Büschen mit ab und zu Polylepis, zeigt sich nach Anlocken mit seiner Stimme eine weitere erst jüngst beschriebene Vogelart, der Jalcatapaculo Scytalopus frankeae. Außerdem werden wir mit dem Brillencanastero fündig. Beide kommen nur hier vor. Der Fahlkappen-Baumschlüpfer zeigt sich frei. Nachmittags zieht Regen auf; gut zum Bestimmen der vielen seltenen Neuheiten.
13. Tag Mo 8.8. Juan bekommt ein gutes Trinkgeld von mir, weil er mit den Vögeln so glasklar und fix war und uns außerdem ein tolles Granolafrühstück servierte. Ich wusste, heute würde ein langer Fahrtag werden, hatte ich mir doch ein bisschen zu viel vorgenommen, nämlich die Zentral- und die Westkordillere auf einmal zu überqueren. Mit dem Start um 6 Uhr früh war ich noch im Vorteil. Von Calabaza durch dichtesten Urwald bis auf 3600 m hinauf ging es glatt. Der havarierte Bus war weggekommen; ich hätte ihn nicht passieren können. 2 Pässe über 4000 m standen vor Comas an, easy. Jedoch 1,5 km vor Comas versperrte Raupe und Sand komplett den Weg: Instandsetzung. Der Posten winkte zurück und machte dazu eine kurvige Handbewegung. Aha, ein Seitenweg in die Stadt! Der Abzweig war aber so spitzwinklig, dass ich erst 1 km weiterfahren musste, um überhaupt dahinein wenden zu können. Die übliche Blas- und Trommelkapelle spielte – wem? – ein Straßenständchen auf. Der Chichastand daneben lud zum endlosen Umtrunk. Lange Auffahrt zur Laguna Pomacochas auf 4467 m, wo sich zwischen km-Stein 26 bis 28 einträchtig Punaibis, Andenibis, Andengans, Riesenbläßhuhn, Schwarzkopf-Ruderente und Bergkarakara tummeln. Kurbelei auf Schotter hinunter zum Kloster Santa Rosa de Ocopa, wo ich 2007 die verstaubte Vogelbalgsammlung mit aktuellen Namen auf Vordermann brachte. Nach Concepción, 3300 m, gefahrene km 155 (= km 0,0 Beginn der Satipo Road andersherum), am Südausgang gleich die Brücke nach Orcotuna über den Río Mantaro, einen der größten Zuflüsse des Ucayali, nehmen. Auf der orographisch rechten Flußseite abwärts bis Sicaya zum Mittagessen, was wir mit 7 Polizisten teilten. «Wo geht es denn zum Pass über die Westanden?» «Beim Km-Stein 117 rechts ab.» Das war die bessere Angabe, denn im Großort Chupaca war so ein Verkehrschaos, dass der Abzweig unbemerkt vorbeigestrichen wäre. Wegweiser Yauyos, nächstes Großziel. Die Straße steigt zunächst in einem lieblichen Tal mit Eukalypten an, bis in einer Linkskurve abrupt der Übergang zum kahlen Altiplano erscheint. Von Chupaca sind es 58 km (83 km von Concepción) bis zum Schwarzen Lehmpass (Abra Barro Negro), 4649 m; dieser Name verheißt nichts Gutes. Doch Überraschung: die Straße ist ganz neu durchgängig bis zur Küste geteert! Dennoch geht es danach nicht herunter, sondern kurvend im Hochland weiter. Nach 30 min einer der schönsten Hochlandseen, 4585 m, direkt an der Piste, mit dem reichhaltigsten Wassergeflügel bisher. Sogar der kleine Andensporntyrann, ein Singvogel, hüpft mitten im See auf grünen Watten, seinem Speziallebensraum. Nun ein letzter Anstieg auf 4727 m, Schild «Abra Chaucha» (km 103,5 von Concepción). Dies ist der eigentliche Pass, auf den meisten Karten gar nicht verzeichnet! 16Uhr30, schon recht spät: sputen. Die Piste senkt sich in den immer enger werdenden Cañón de Uchco und schwankt dauernd zwischen 1 und 1,5 Wagenbreiten, was besonders gutes Vorabschätzen beim Gegenverkehr erfordert. Jetzt wird es dramatisch: die Straße verschwindet 2,1 km unter Tomas in einem Loch, alles über 800 m steil, vielfarbig von tintig über Gelb die überhängenden Wände, lange vor Sonnenuntergang schon recht dunkel. Kurz unter Alis verlassen wir die Teerstraße beim km-Stein 161,8 (gezählt von der Küste her) für eine gute Schotterpiste, die einmal atembeklemmend am Hang hinaufzirkelt. «Da willst Du wirklich rauf?» «Si.» Genau weitere 16 km (48 km vom letzten Pass) erreichen wir im Dämmerlicht Huancaya, den touristischen Hauptort vom Nor Yauyos/Cochas- Reservat. Schranke mit Wärterin: Eintritt 20 Soles/pP, für die (Natur-)Sehenswürdigkeiten des prämierten Dorfes. Ich versuche, die riesige Camioneta in der einspurigen Straße unbehindernd zu parken, und schleppe mich nach 12 Std. am Steuer mit letzter Kraft aufs Hotelbett von Brisas de Mayo (bestes am Platze; Tel 979 449 519). 302 Tages-km, besser nicht nachmachen!
14. Tag Di 9.8. Von Huancaya, 3590 m, dessen breiter Wasserfall uns in den Schlaf wiegte, gehen wir zu Fuß das breite Flusstal hinauf, links an der Schule vorbei. Die flachen Sinterterrassen unterbrechen immer wieder den Lauf des klaren Wassers. Schilfbuchten bergen Nachtreiher, Andenente, Schopfente und Vielfarbentachuri. An Blüten saugen Riesenkolibri und Schwarzbauch-Glanzschwänzchen. Kurzfristig zeigen sich Gelbbauch-Kernknacker und Glanz-Veilchenohrkolibri. Der Hit ist aber die endemische Rostbauch-Buschammer (Rusty-bellied Brush-Finch), die uns schon im Ort grüßt. Das Tal ist äußerst lieblich; man erreicht ca. 4 km weiter einen Polylepis-Wald auf 3650 m.
Heute wollen wir die 178 km das Cañete-Tal herunterfahren bis zur Küste. Die Teerstraße bleibt eng, aber schnell bis Zuñiga (Restaurants). Die ab hier zweispurige Fernstraße sollte eigentlich flotter sein. Das Gegenteil ist aber der Fall. Durch multiplen Einbau von Reduktoren (= «Toten Polizisten», policía acostado = halbrunde Hemmschwellen) bremst der Verkehr immer wieder auf Null herunter. Lunahuaná (8o km von der Küste) ist für seinen Wildwassertourismus und eine Inkagarnisonsstadt bekannt. In Cañete werden wir wieder vom hektischen Großstadtverkehr eingeholt. Gleich darauf Auffahrt auf die autobahnartige Panamericana, nach Norden. Die öde Küstenwüste hat uns wieder. Geheimtipp: Am km 84 südlich von Lima herausfahren an die Felsenküste von Mala: nur 1 km! An der Binnenlagune hier gibt es neben einigen Napfschneckenfischern Küstenvögel wie Schwarzrücken-Stelzenläufer, Guanokormoran, Bahamaente und vielleicht auch mal eine Inkaseeschwalbe. Dann grüßen ab km 50 die ersten Ferienhäuser der Limeñer. Der Stoßstangenverkehr kostet Nerven, doch kommen wir heil bis Miraflores, Hotel Ibis Budget, Calle Alcanfores 677.
15. Reservetag: Mi, 10.8. Pantanos de Villa, ein Ramsar-Schutzgebiet, ist ein Sumpfparadies für allerlei Gefiederte, einfache Fahrt 18 km, im Vorort Chorillos (Lima-Süd). Eintritt (25 S.) und Führer (50 S.) berechtigen zum Besuch dreier umzäunter Gebiete und der Beobachtungstürme. Star im Schilf: ein brütender Gelbkron-Nachtreiher, sonst erst wieder im extremen Norden Perus auftauchend. Aber auch für Vielfarbentachuri und Rohrschlüpfer hat sich die Exkursion schon gelohnt. Sehr zu empfehlen auch für Vogelneulinge. Jetzt wird es Zeit für die Rückgabe des Mietwagens, doch herrje!, der Reifen hinten links ist platt. Mit Luftpumpe schaffen wir es noch bis zur Tankstelle in Miraflores, wo wir ihn flicken und das ganze Auto blitzblank säubern lassen. Der Mietwagenvertreter ist so sprachlos und glücklich darüber, dass er die marode Kiste nicht mehr auf weitere Macken kontrolliert. Wir verbringen noch einen schönen Abend in angesagten Restaurants und bereiten uns, glücklich von den außergewöhnlichen Landschafts- und Vogeleindrücken, auf den frühen Abflug nach Deutschland vor.
Wechselkurs im August 2022 war: 1US$ = 3,85 Soles beim Geldwechsler auf der
Straße, 3,89 bei Bezahlen mit Visacard. Gefahrene Kilometer: 2090.
Bild 1: Diademregenpfeifer, Phegornis mitchellii. Foto: Carlos Calle.
Bild 2: Neue, im Aufbau befindliche Lodge in Apalla-Calabaza, 2200 m, Satipo
Road.
Bild 3: Goldkopftrogon. Foto: Carlos Calle.
Bild 4:
Fahlkappen-Baumschlüpfer. Foto: Jaime Talavera.
Bild 5: Mantarozaunkönig, Mantaro Wren, Pheugopedius nov. spec., noch zu
beschreibende neue Vogelart für die Wissenschaft. Foto: Carlos Calle.
Bild
6: Habitat an der Satipo Road bei 3000 m. Foto: Andre Bärtschi.
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